Windräder auch in Bensheim denkbar

Energiewende: Info-Veranstaltung der Grünen Liste Bensheim / Mehr grüner Strom mit Hilfe von Genossenschaften

Bensheim. Können Energiewende und „sauberer“ Strom aus erneuerbaren Energien den Weg ebnen für andere wirtschaftlichere Rechtsformen von Unternehmen? Das Modell der Genossenschaft scheint an der Bergstraße Schule zu machen. Die Grüne Liste Bensheim informierte am Mittwoch im Haus am Markt über das Thema.

GLB-Mitglied Hanns-Christian Wüstner begrüßte Zuhörer und Referenten. Fritz Noss von der BürgerEnergie Bergstraße eG mit Sitz in Weinheim und Michael Jost von der Energiegenossenschaft Starkenburg stellten die Konzepte vor und standen den Zuhörern Rede und Antwort. Dritter im Bunde war Dr. Peter Müller, Vorstand der GGEW AG. Er teilte mit, dass die GGEW Mitglied in der Starkenburger Genossenschaft wird, um in den Aufbau von Windrädern zu investieren.

„Eine gute Alternative“

Mit Attributen wie ökologisch, demokratisch, rentabel, ethisch, nachhaltig und regional umschrieb Fritz Noss das Genossenschaftsprinzip. Ziel sei es, eine wirtschaftliche Alternative zu den herkömmlichen Technologien und Business-Modellen aufzubauen: „Wenn das Kapital regiert, zählt nur die Rendite.“ Vor diesem Hintergrund sei das Genossenschaftsmodell eine gute Alternative.

Es handele sich dabei um Unternehmen, die allerdings von gleichberechtigten Mitgliedern getragen werden. Gemeinsam ziehe man an einem Strang. Die Unabhängigkeit von Großversorgern schaffe eine neue Freiheit: „Die Bürger hängen nicht mehr am Tropf einiger weniger Mächtiger.“

Um Windkraft nutzen zu können, muss viel Geld in die Hand genommen werden. Eine Genossenschaft biete hierfür ausreichend Flexibilität, jeder könne sich entsprechend seiner finanziellen Möglichkeiten einbringen. „Viele kleine Kräfte können viel bewirken.“ Alle Beteiligten haben ein Mitspracherecht. Damit sei die Genossenschaft zugleich ein Bollwerk gegen „Heuschrecken“ und Spekulanten. Die Anteilseigner haften jeweils in Höhe ihres Anteils. Die Mitglieder sind sowohl Käufer als auch Verkäufer des Produkts.

Genossenschaften agieren wirtschaftlich dynamisch und können schnell große Zuwächse generieren, erläuterte Michael Jost. „Wenn Klimaschutz zum Volkssport wird“, überschrieb er seine Präsentation. Der Klimaschutz brauche eine breite Bewegung, die Bewegung brauche die Bürger.

Der Genossenschaftsgedanke sei an sich nichts Neues. Er stammt von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der im 19. Jahrhundert mit dem Modell die Solidarität, Verantwortung und Selbsthilfe der Bürger stärken wollte. In Deutschland gibt es die Rechtsform über 6000 Mal. 75 Prozent der Genossenschaften sind Banken, die in der Finanzkrise ihre Stärke unter Beweis stellten. Genossenschaften haben sich als solide und insolvenzsicher erwiesen.

Die Energiegenossenschaft Starkenburg hat derzeit knapp 300 Mitglieder und konnte bereits einige Projekte zur Förderung alternativer Energien umsetzen. Jüngstes Beispiel ist die Photovoltaik-Anlage auf dem Schulgebäude des Überwaldgymnasiums in Wald-Michelbach. Das teuerste Projekt steht auf der Neutscher Höhe. Dort soll sich das „erste Genossenschaftswindrad Deutschlands“ drehen.

Die Energiegenossenschaft Starkenburg wurde im Dezember 2010 von Mitbürgern gegründet, denen „Klimaschutz wichtig ist“, so Jost. Die produzierten erneuerbaren Energien sollen vor allem Bürger aus der unmittelbaren Umgebung nutzen dürfen. Aus Sicht von Jost ist die Genossenschaft ein „riesiges Wirtschaftsförderungsprogramm in der Region“. Ziel sei es, den Kreis zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu versorgen.

Wasserkraft an der Weschnitz?

Wie kommt man an das nötige Geld, um Windräder aufzustellen, die pro Stück mit rund drei Millionen Euro zu Buche schlagen? Wer Mitglied der Starkenburger Energiegenossenschaft werden will, erwirbt mindestens ein Beteiligungspaket in Höhe von 2000 Euro. Davon gehen 200 Euro in den Geschäftsanteil, die übrigen 1800 Euro werden auf 20 Jahre als Darlehen gegeben. Beides wird verzinst. Der Zinssatz liegt bei 4,5 Prozent und orientiert sich am unteren Level des prognostizierten Ertrags. Alles, was darüber hinaus erwirtschaftet wird, fließt in einen großen „Topf“. Die Generalversammlung entscheidet darüber, wie mit dem Überschuss verfahren wird.

Als nächste Projekte hat die Genossenschaft den Bau von Windrädern am Kesselberg und am Heiligenberg ins Visier genommen. Auf Nachfrage aus dem Publikum unterstrich Jost, dass sich der Aufbau der Windanlagen auch in Bensheim trotz nicht gerader optimaler Windverhältnisse durchaus rentieren würde. Die Bergkuppen böten gute Bedingungen. Inwieweit sich Wasserkraft an der Weschnitz nutzen lasse, müsse die Zukunft zeigen.

Michael Jost blickte zuversichtlich in die Zukunft: „Wir gehen Schritt für Schritt weiter – und sicherlich durchs Ziel.“

Quelle: Bergsträßer Anzeiger – Monika Hälker, 30. September 2011