Nachhaltig mobil in Bensheim: Durchaus möglich, aber mit Hürden

„Wie sieht nachhaltige Mobilität aus? Welche Rolle spielen dabei die verschiedenen Verkehrsmittel? Welche Angebote und Verbesserungsmöglichkeiten gibt es hier in Bensheim? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Bensheimer Grünen zusammen mit Peter Castellanos vom Netzwerk bergstraße.mobil im Rahmen ihres Sommerprogramms, das als „Mobilitätspraktikum“ gestaltet wurde. Der gelernte Verkehrsplaner, der sich beruflich mit der Projektleitung von Nahverkehrsplänen und Mobilitätskonzepten für die Verkehrsmittel des sogenannten „Umweltverbundes“ – also Fuß, Fahrrad und ÖPNV – beschäftigt, führte die 12-köpfige Gruppe multimodal – also mit mehreren Verkehrsmitteln – einmal quer durch die Stadt.

Flexibilität für Pendelnde fällt ab 2026 weg

Zunächst ging es zu Fuß von der Stadtmühle zur Station des Fahrradmietsystems VRNnextbike am Parktheater. „Besonders für Schul- und Berufspendler sind solche Angebote wichtig. Wer mit der Bahn verspätet ankommt und den Bus verpasst, kann mit dem Mietrad sein Ziel in Bensheim trotzdem zeitnah erreichen. Diese Flexibilität ist wichtig, um den ÖPNV für noch mehr Menschen zugänglicher zu machen“, betont Castellanos die Resilienz-Funktion der Mieträder. Er selbst habe oft darauf zurückgegriffen, als er mit der Bahn aus Mannheim kommend in Weinheim strandete und die letzten Kilometer bis Bensheim mit dem Rad zurücklegte. „Da man die Räder überörtlich nutzen kann, war das kein Problem“. Umso bedauerlicher sei die Einstellung des Systems ab 2026, was wir Grüne kritisieren, weil es für eine Stadt mit Einpendelnden-Überschuss nicht zeitgemäß ist.

Viele Barrieren für Fußgänger in Wohnstraßen

Nach Ausleihe der Räder ging es für die Gruppe zu Fuß weiter über die Schützen- und Grüne Straße in die Weststadt. „Stellt euch vor, dass die Fahrräder, die wir schieben, einen Kinderwagen oder Rollstuhl darstellen“, gab Castellanos der Gruppe auf den Weg, bevor der Spaziergang weiterging. In der Hagenstraße angekommen, berichteten die Teilnehmenden über ihre Eindrücke auf den unterschiedlichen Fußwegen. Papiertonnen auf Bürgersteigen und zu schmale Durchgänge für den Fußverkehr, trotz vorschriftsmäßigem Parken auf den markierten Flächen, schränkten die Barrierefreiheit ein. In der fußgänger-orientierten Altstadt, im Karl-Kreuzer-Weg und in der Schützenstraße, in der trotz der eher Auto-dominierten Gestaltung noch ausreichende Breiten für zu Fußgehende bestehen, sei die Lage dagegen deutlich angenehmer.

Im Karl-Kreuzer-Weg sei der „Shared-Space-Gedanke“ und die Verkehrsberuhigungen in diesem Neubaugebiet aus den 1990er Jahren in Wohnstraßen vorbildlich umgesetzt worden. Als Kind konnte er bedenkenlos auf der Straße spielen, erinnert sich Castellanos, der in diesem Gebiet aufgewachsen ist. Besonders die Altstadt biete mit ihrer vielfältigen Architektur und den vielen Geschäften ein angenehmes Umfeld für Fußgänger. „Je abwechslungsreicher ein Straßenraum gestaltet ist, umso größere Entfernungen sind die Menschen bereit zu Fuß zu gehen und umso mehr Geld lassen sie auch in den lokalen Geschäften“, brachte Castellanos die Forschungsergebnisse der Stadtplaner Jan Gehl und Hermann Knoflacher auf den Punkt.

Stubenwald nur schlecht mit Fahrrad erreichbar

Mit den ausgeliehenen Fahrrädern reiste die Gruppe weiter über die Robert-Bosch-Straße ins Gewerbegebiet Stubenwald. „Auf dieser Straße macht Fahrradfahren wirklich keinen Spaß. Daher meide ich diesen Bereich“, merkte eine Teilnehmerin während der Fahrt mit Blick auf die Schlaglöcher am Fahrbahnrand und den fehlenden Radweg in diesem Bereich an. Zustimmung dazu kam von Castellanos. Er ergänzte: „Der Stubenwald ist schlecht ans Radwegenetz angebunden, obwohl hier viele publikumswirksame Einrichtungen vorhanden sind. Die Anbindung nach Lorsch und an die Bensheimer Weststadt südlich der Wormser Straße ist ein großes Problem.“ Wenn an der Ampel bei der Autobahnbrücke über die B47 eine Querungsmöglichkeit für Radfahrer geschaffen würde, könne man gleich beide Fliegen mit einer klappe schlagen und Planungsfehler aus dem vorigen Jahrhundert korrigieren.

„Mit Deutschland-Ticket sind nicht alle Tarifprobleme gelöst“

Binnen weniger Sekunden waren die Bügel an den Schlössern der Mieträder an der Nextbike-Station Stubenwald umgelegt und damit zurückgegeben. Kurz darauf fuhr die Gruppe mit dem Linienbus zur Gaststätte Weiherhaus zum Ausklang des Abends. Auf dem Weg dorthin wurden Probleme des Bensheimer ÖPNV thematisiert, etwa die fehlende Durchbindung der Linien 669 und 670, für die es laut Castellanos „keinen vernünftigen Grund“ mehr gebe, oder die Gestaltung der Tarife. „Das Deutschlandticket hat für die Abo-Kunden den Tarifdschungel gelichtet. Es wäre aber falsch zu glauben, dass damit alle Probleme aus Fahrgastsicht gelöst sind“, kritisiert er fehlende vergleichbare Angebote für Gelegenheitskunden, also Tageskarten und Einzelfahrscheine. Das aktuell nicht auf die Stärkung der Innenstadt fokussierte Stadtbuskonzept wurde ebenfalls thematisiert.

Für die Grünen war die multimodale Tour durch Bensheim sowohl erkenntnisreich als auch eine Bestätigung für die seit Jahren bekannten Dauerthemen. Die Beispiele, stehen repräsentativ für die vielen Stellen, an denen mehr unternommen werden muss, um den öffentlichen Raum gerechter auf alle Verkehrsteilnehmer zu verteilen“, so abschließend Fraktionsvorsitzende Doris Sterzelmaier.