40 Jahre Grüne Liste Bensheim – Begrüßung durch Wolfram Fendler

Sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren liebe Freundinnen und liebe Freunde,
die Grüne Liste Bensheim, kurz GLB hat Sie heute eingeladen, um gemeinsam ihren 40 Geburtstag zu feiern. Im Namen der Grünen Liste Bensheim begrüße ich Sie recht herzlich und danke Ihnen, dass Sie uns die Ehre erweisen, unserer Einladung zu dieser 40 Jahrfeier zu folgen.
Stellvertretend für alle Gäste aus dem Bereich Politik begrüße ich insbesondere Frau Staatsministerin Priska Hinz, Frau Stadtverordnetenvorsteherin Christine Deppert, Herrn Bürgermeister Rolf Richter, Frau Bundestagsabgeordnete Daniella Wagner und die Vertreter und Vertreterinnen der anderen politischen Parteien. Stellvertretend für alle Mitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unser ältestes Mitglied Frau Maria Schömbs, stellvertretend für alle Vertreterinnen und Vertreter der anderen Grünen Listen und Ortsverbände den Sprecher des Kreisvorstandes Matthias Schimpf, für die Bensheimer Gesellschaft und alle anderen Gäste Herrn Ehrenbürgermeister Georg Stolle und unseren Freund Dirk Treber. Außerdem natürlich die Vertreterinnen und Vertreter aus den Sozialbereichen, Wirtschaft und Vereinen sowie die Presse.

Als langjähriger aktiver Streiter der GLB will ich Sie aber nicht nur begrüßen, sondern gleich auch inhaltlich ein paar Worte sagen.
Ich will mit Ihnen zurück schauen auf die Gründung der GLB und den Weg, den wir seitdem gegangen sind, aber auch voraus blicken auf die Aufgaben, denen wir uns heute gegenüber sehen.

Im August 1978 taten sich sieben Leute, darunter Franz Apfel, Norbert Koller und Maria Schömbs, die alle heute hier anwesend sind, zusammen und gründeten eine Ortsgruppe der damaligen Grünen Liste Hessen. Die wiederum hatte sich angesichts der im Oktober anstehenden Landtagswahlen gebildet.

Diese Gründungen sind nicht zu verstehen, ohne die 10 Jahre zuvor erfolgte Revolte von 1968. Die Grüne Liste war eine große Sammlungsbewegung. Ein Bündnis pluraler Meinungen. In ihr verbanden sich christliche Pazifisten und konservative Naturschützer mit ehemaligen Revolutionären, Kämpfern für mehr politische Freiheit, direkte Demokratie und Frauenrechte. Sie einte das Wissen um die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen, die Kritik an dem Versprechen des unbegrenzten wirtschaftlichen Wachstums einer kapitalistischen Wirtschaft, der politische Wille, sich einzumischen, verkrustete Strukturen aufzubrechen, und diese Veränderungen auf demokratischem Weg über die Parlamente umzusetzen. Aus Sicht der etablierten Parteien waren sie Außenseiter und Unruhestifter, die die gewohnte Art Politik zu machen störten.
Trotzdem oder genau deswegen gelang es der GLB 1985 mit 8,2 Prozent der Stimmen in das Stadtparlament einzuziehen. Seit 2001 steht sie in einer Koalition mit der CDU, die 2017 um die Bürger für Bensheim erweitert wurde. Das ist Bensheim und den Bensheimer Bürgern gut bekommen. Die Attraktivität für Unternehmen und Wohnungssuchende, das stete Bevölkerungswachstum ist natürlich nicht einfach Folge der erfolgreichen Politik, aber es spricht doch eine deutliche Sprache. Vieles, was uns selbstverständlich erscheint, ist es anderswo keineswegs und gäbe es ohne aktive grüne Politik so nicht. Von dem neu gebauten Frei- und Hallenbad in Zentrumsnähe, über die knapp bedarfsdeckende Kinderbetreuung, das Hilfsangebot für Wohnsitzlose bis zur städtischen Integrationsarbeit, dem Masterplan 100% Klimaschutz, der Bereitstellung von Flächen für den sozialen Wohnungsbau bei gleichzeitiger Begrenzung des Flächenverbrauchs und Entwicklung der naturnahen Flächen rings um Bensheim ist vieles auf das unermüdliche Wirken von Bürgerinitiativen und Grünen innerhalb und außerhalb der städtischen Gremien zurück zu führen.
Die aktuelle Stadtverordnetenfraktion mit der langjährigen Fraktionsvorsitzenden Doris Sterzelmaier, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Thomas Götz sowie den Fraktionsmitgliedern Antje Adam, Waltrud Ottiger, Hanns-Christian Wüstner, Moritz Müller und mir ist ein Querschnitt der Bensheimer Bevölkerung und tief in dieser verwurzelt. Die GLB stellt mit Adil Oyan einen hauptamtlichen Stadtrat und Peter Kalb ist für die GLB ehrenamtliches Magistratsmitglied.
Eine Erfolgsgeschichte, wie man sie gerne auf Jubiläen erzählt.

Leider gibt es auch eine andere Geschichte.
Alle Bemühungen, den Vorrang und die Vorherrschaft des Autoverkehrs zurückzudrängen und durch einen Vorrang für Fahrrad und öffentlichen Personenverkehr zu ersetzen haben zwar Verbesserungen für Radfahrer und ÖPNV erreicht, den Zuwachs des Autoverkehrs aber allenfalls verlangsamt, die Entwicklung jedoch nicht umkehren können. Entsprechend ist es genau dieser Autoverkehr, der verhindert, dass die Stadt Bensheim ihre selbst gesetzten Klimaschutzziele aus ihrem Masterplan Klimaschutz erreicht.

Auch intern gibt es nicht nur positives zu berichten. Im Verlauf der Entwicklung haben sich die Bürger für Bensheim von der Grünen Liste Bensheim abgespalten, unser langjähriger Fraktionsvorsitzender ist heute Fraktionsvorsitzender der Bürger für Bensheim. Nicht aufgrund tiefgreifender inhaltlicher Differenzen, sondern aufgrund von Problemen in den Beziehungen der handelnden Personen.

Ich hoffe, dass sich aus der Partnerschaft in der aktuellen Koalition für die Zukunft zwar nicht gleich eine Wiedervereinigung aber doch eine gute Zusammenarbeit entwickeln lässt, getragen von dem gemeinsamen Ziel, einer ökologisch und sozial verantwortlichen Politik für Bensheim.
War die Gründung der GLB von dem Leitmotiv getragen „Global denken – lokal Handeln“ so stehen wir heute vor der umgekehrten Herausforderung. Das grüne, ökologische Denken ist in unserer Gesellschaft vorherrschend geworden. Viele Menschen berücksichtigen ökologische Kriterien in ihren alltäglichen Entscheidungen. Die GLB versucht, dieses Bewusstsein in kommunale Politik zu übersetzen. Das ist und bleibt richtig und wichtig. Aber die Herausforderungen, vor denen wir stehen, lassen sich durch privates und lokales Handeln alleine nicht bewältigen.
Der Klimawandel, dessen erste Folgen wir im Wetter diesen und der letzten Jahre unmittelbar erfahren konnten, ist eine Herausforderung, die die Menschheit nur durch gemeinsames Handeln bewältigen kann. Das ist der tiefere Grund, warum die Rechten dieses Problem leugnen müssen: Allzu offensichtlich passt ihr Rezept des „jeder für sich und auf Kosten der Nachbarn“ nicht zur Lösung.

Tatsächlich sind die europäischen Nationalstaaten mit der Lösung fast aller großen anstehenden Probleme überfordert: Regulierung der Finanzmärkte – auf nationaler Ebene unmöglich. Kontrolle der Automobilindustrie – was in Deutschland vor sich geht zeigt, dass wohl eher die Automobilindustrie die nationale Regierung kontrolliert als umgekehrt.

Nationalstaatlich verantwortliche Politiker versprechen nationalstaatliche Lösungen, Im Streit nationaler Politiker können europäische Probleme nicht gelöst werden. Es fehlt eine gemeinsame Politik mit einem von Anfang an europäischen Selbstverständnis.
In gewisser Weise erinnert die Situation Europas heute an die Situation Deutschlands vor der Revolution von 1848: Eine Ansammlung von Kleinstaaten, die zwar gemeinsame Institutionen haben, durch den Vorrang der Partikularinteressen aber Spielball äußerer Mächte bleiben.
In dieser Situation kann ein Fortschritt nur gelingen, wenn Deutschland als stärkstes Land in Europa mit Maßnahmen zum Klimaschutz vorangeht, statt sich in der Mitte zu verstecken. Von entscheidender Bedeutung wäre die Einführung einer CO2-Abgabe oder Steuer. Mit marktwirtschaftlichen Mitteln würde sie dafür sorgen, dass die CO2 Emissionen sinken.
Die Frage nach einer CO2-Abgabe ist heute gewissermaßen die Gretchenfrage des Klimaschutzes: Wer sie ablehnt, bei dem kann es mit dem Engagement für den Klimaschutz nicht weit her sein.
Zögerliches Abwarten wird nicht ausreichen, um unsere Welt zu bewahren und enkeltauglich zu machen. Es ist notwendig das Wissen und die gemeinsamen Überzeugungen in politisches Handeln zu überführen.
Vielleicht ergibt sich ja im Anschluss an die Vorträge beim anschließenden get-together die Möglichkeit, Ideen auszutauschen und Pläne für neue Aktivitäten zu schmieden.

Wolfram Fendler, Sprecher der GLB 24.08.2018