Atommüll-Endlager: Basis äußert Kritik

Zu Gast bei der Grünen Liste Bensheim war am 3.4.17 im Haus am Markt:

Energiewende Sylvia Kotting-Uhl, Expertin der Grünen in der Bundestagsfraktion, erläuterte in Bensheim den Kompromiss, der nach zwei Jahren gefunden wurde

Bergstraße.Zwei Jahre hatte eine Kommission aus Bundes- und Landespolitikern, Wissenschaftlern, Bürgern sowie Vertretern der Umweltschutzverbände und der Energiebranche an dem Gesetzentwurf gearbeitet, Ende März hat der Bundestag nun das Gesetz für die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll beschlossen. Festgelegt sind Kriterien und Ablauf für die Suche nach einer Lagerstätte in Deutschland. Bis 2031, so die Planungen, soll ein Standort ermittelt werden, an dem der strahlende Abfall aus den deutschen Atomreaktoren eine Million Jahre eingelagert werden kann. Für das Jahr 2050 ist die Inbetriebnahme der Anlage beabsichtigt. Der radioaktive Unrat soll für die nachfolgenden Generationen über einen Zeitraum von 500 Jahren rückholbar sein.

Die bestmögliche Lösung

Sylvia Kotting-Uhl, die für die Grünen im Bundestag sitzt, war Mitglied in der „Endlager-Kommission“. Jetzt referierte die 64-Jährige im Haus am Markt in Bensheim über den „Weg zum Standort mit der bestmöglichen Sicherheit“, wie es im Abschlussbericht der Kommission heißt. Die Kritik, die in den vergangenen Tagen bundesweit von verschiedenen Seiten an diesem Gesetz geübt wurde, wurde auch während der gut besuchten Veranstaltung in Bensheim deutlich. Sylvia Kotting-Uhl konnte die Einwände teilweise nachvollziehen. Die Regelung sei zwar nicht optimal, aber unter Berücksichtigung aller Umstände und Interessen ein tragfähiges und praktikables Ergebnis. „Das ist die bestmögliche Lösung“, sagte die Karlsruher Bundestagsabgeordnete mit Blick auf die Bestimmungen, die zudem das Verbot beinhalten, Atommüll zu exportieren.Für die Standortsuche gilt das Primat der Sicherheit. Absolute Sicherheit könne bei der Endlagerung des hoch radioaktiven Materials – derzeit rund 28 000 Kubikmeter – nicht gewährleistet werden, erklärte Sylvia Kotting-Uhl. Ziel sei es jedoch, den bestmöglichen Sicherheitsstandard zu erreichen.

Das Verfahren ist wissenschaftsorientiert. Das bedeutet: Wissenschaftler der mit dieser Aufgabe betrauten Bundesgesellschaft forschen im gesamten Bundesgebiet nach möglichen Lagerorten. Dabei werden zunächst in einer Art Ausschlussverfahren Gebiete aussortiert, die aufgrund spezieller Gegebenheiten – etwa Erdbebengefahr – von vorneherein ausscheiden. Anschließend werden die Regionen gelistet, die die Mindestanforderungen erfüllen. Dazu zählen, da der Atommüll in einem Bergwerk eingelagert werden soll, das Vorkommen von geologischen Formationen aus Salz, Ton oder kristallinem Gestein. Dieser wissenschaftsbasierte Auswahlprozess wird sich über drei Phasen strecken und am Ende den bestmöglichen Standort ausspucken.Dass die Suche bundesweit und damit ergebnisoffen stattfindet, sei ein wesentlicher Punkt für die Akzeptanz der Standortentscheidung bei der Bevölkerung, meinte die atompolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. „Es wird nichts ausgeschlossen, keine Region wird bevorzugt oder benachteiligt.“

Zu diesem ergebnisoffenen Ansatz gehöre ausdrücklich, das seit Jahrzehnten umstrittene Zwischenlager Gorleben (Niedersachsen) in die Untersuchungen mit einzubeziehen – obwohl die vom Endlagersuche-Gesetz geforderte Transparenz und Partizipation in der Causa Gorleben wohl auf der Strecke bleiben würde angesichts der konfliktreichen Vorgeschichte. „Das ist verbrannt“, befand Sylvia Kotting-Uhl. Hätte man diesen Standort allerdings außen vorgelassen, wären nach einem Entscheid für ein Endlager möglicherweise erneut Diskussionen um die Eignung von Gorleben entstanden. Das wollte die Kommission mit der Aufnahme von Gorleben verhindern, beschrieb Kotting-Uhl die Intention für diesen Schritt.

Zeitplan ist nicht einzuhalten

Für die Standortsuche ist die Beteiligung der Bevölkerung auf verschiedenen regionalen und überregionalen Ebenen, die Nachvollziehbarkeit des Prozesses sowie Einsehbarkeit sämtlicher Dokumente festgeschrieben. „Es wird keine geschwärzten Abschnitte in den Akten geben“, betonte die Expertin. Ein Veto-Recht steht den Bürgern nach einem erfolgten Beschluss nicht zu. Mittels eines Nachprüfrechts ist nur die Kontrolle der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens zulässig. Aufgrund der umfangreichen partizipativen Vorschriften glaubt die Grünen-Politikerin nicht an die Einhaltung des vorgegebenen Zeitplans mit den Säulen Ende der Standortsuche (2031) und die Inbetriebnahme des Endlagers (2050). „Das wird nicht funktionieren.“

Die Energiekonzerne sollen nach Plänen der Atom-Finanzkommission bis 2022 – in diesem Jahr geht das letzte deutsche AKW vom Netz – für die Zwischen- und Endlagerung 23,5 Milliarden Euro inklusive eines Risikoaufschlags in einen staatlichen Fond einzahlen. Kritiker im Haus am Markt bemängelten die Höhe der Verursacher-Beteiligung und äußerten wegen der aktuellen wirtschaftlichen Schieflage einiger Stromkonzerne Befürchtungen, dass weitere Belastungen auf den Steuerzahler zukommen könnten. Sylvia Kotting-Uhl verwies in diesem Zusammenhang auf die im Endlager-Gesetz bestimmte Zahlungsverpflichtung der Energieunternehmen. eh

Quelle: Bergsträßer Anzeiger 8.4.17