Franz Alt bleibt auf der Sonnenseite

3.7.16 Klimaschutztag NZB mit grünen Ministerin Priska Hinz

2. Bensheimer Energie- u. Klimaschutztag am 3. Juli 2016 im Naturschutzzentrum mit Ministerin Priska Hinz (Bündnis90/Die Grünen) (4. v.l.)

Energie- und Klimaschutztag I: Fernsehjournalist und Autor fordert globale Revolution durch Solarenergie / Ökonomische Anreize für ökologisches Verhalten schaffen

Bensheim. Franz Alt hat Angst. Die Gesellschaft sieht er auf einem suizidalen Kurs der „Selbstverbrennung“. Aktuell verbrennen wir weltweit an einem Tag so viel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in einer Million Tagen geschaffen habe. Ein Liter Benzin verpeste 10 000 Liter Luft. Täglich würden rund 150 Tier- und Pflanzenarten ausgerottet und 50 000 Hektar neue Wüste geschaffen. „Wir sind die erste Generation, die dem lieben Gott ins Handwerk pfuscht.“

Hoffnung steht am Himmel

Franz Alt bleibt optimistisch. Seine Hoffnung steht am Himmel. Der Fernsehjournalist und Autor glaubt an eine solare Weltrevolution. Die Sonne sei in der Lage, den gesamten Globus mit kostenloser Energie zu versorgen. Und das noch etwa sechs Milliarden Jahre lang, so Alt in seinem Vortrag beim 2. Bensheimer Energie- und Klimaschutztag. Im Naturschutzzentrum forderte der Atomkraftgegner und Umweltschutz-Aktivist ein neues Bewusstsein über technologische Aspekte hinaus. Es sei vor allen Dingen eine globale ökologische Ethik, die uns noch retten könnte.

Grüne Gedanken zum Thema Verkehr

Bensheim. Interessant, informativ und vor allem erkenntnisreich war der zweite Klimaschutztag im Naturschutzzentrum Bergstraße in Bensheim. Da war selbst GGEW-Vorstand Carsten Hoffmann erstaunt zu hören, dass man „mit der Verkehrswende auch demografische Probleme in den Griff bekommen kann“.

Der Stau bleibt

Er bezog sich dabei auf eine Feststellung von Franz Alt, der im Rahmen der Podiumsdiskussion zur Mobilität der Zukunft darauf hingewiesen hatte, dass der Umstieg auf E-Mobilität allein nicht helfe.

Dadurch ändere sich der heutige Anteil von 80 Prozent Individualverkehr und 20 Prozent ÖPNV nicht. Das Stauproblem bleibe und auch die Tatsache, dass ein deutscher Mann heute länger im Stau stehe, als er Zeit für den Sex habe. „Das ist keine Lebensqualität“, sprach sich der Moderator und Autor für eine Umkehr auf einen 80-prozentigen Anteil des ÖPNV am Verkehrsaufkommen aus.

Die von Dr. Antje Grobe moderierte Diskussion mit dem Blogger Martin Randelhoff, Franz Alt, Carsten Hoffmann und dem „Auto-Teiler“ Bernd Meerstein aus Wasserburg machte mit interessanten Projekten zum Thema Carsharing bekannt.Für die erkrankte Teilnehmerin Verena Steidl berichtete die Moderatorin beispielsweise über das österreichische Carsharing-Projekt „Caruso“. Für ein Wohnprojekt wollte der Bauherr lieber eine Grünanlage anstelle von Parkplätzen anlegen. Das wurde ihm nur genehmigt, weil er statt der Stellplätze die Einrichtung eines Carsharing-Projektes nachwies.

Sein Vortrag war eine Absage an die „Klima-Barbarei“ und ein Plädoyer für die konsequente Nutzung eines Sterns, der täglich 15 000 Mal mehr Energie zur Erde schickt, als hier unten benötigt werde, aber niemals eine Rechnung nachreicht. Darüber hinaus, so Franz Alt, sei die Sonne mit einem „Sicherheitsabstand“ von 150 Millionen Kilometern weit genug weg, als dass um sie ein Energie-Krieg entfacht werden könne. Ein „Frieden um die Sonne“ sieht er als letzte Alternative zur Rettung der Menschheit.

Jedes Land der Erde habe die Chance auf eine energiepolitische Unabhängigkeit. Wohlstand für alle in einem globalen Ausmaß: Für Franz Alt keine öko-romantische Utopie, sondern eine reale Möglichkeit, wenn es dem Mensch gelingt, sich von fossilen Ressourcen abzunabeln.

Der bisherige Weg führe in die falsche Richtung: „Wir beziehen Öl aus Arabien, Gas aus Sibirien und Kohle aus Ostasien.“ Der Kampf um Ressourcen werde meistens mit Waffen geführt.

Vor zahlreichen Zuhörern verdeutlichte Alt die weltweiten Zusammenhänge von Klimakrise, Energiekrise und Flüchtlingskrise. Wenn die Industrienationen als fatale Beschleuniger des Klimawandels zur Verwüstung ganzer Landstriche beitragen, dürfe man sich über Flüchtlinge nicht wundern.

„Wir sind das Problem, nicht Afrika.“ Dort werde im Vergleich zu Europa gerade einmal ein Vierzigstel der Energie verbraucht. Allerdings seien auf dem Kontinent schon heute 18 Millionen Klima-Flüchtlinge unterwegs. Zwar habe es Klimawandel schon seit der Geburt der Erde gegeben, doch mit Beginn der Industrialisierung beobachte man weitaus extremere Phasen als davor. Die Erderwärmung sei schon heute spürbar. Risse im Eis seien die ersten Vorboten der Schmelze.

Der Meeresspiegel steigt

Der Meeresspiegel steigt. Die weitere Folgen könnten ein Temperaturanstieg von bis zu acht Grad Celsius bis zur Jahrhundertwende sein. Mit fatalen Konsequenzen für die Natur, und für den Menschen. Die Gesellschaft sei bereit für eine radikale Umstellung auf Ökostrom – sofern die Politik die richtigen Rahmenbedingungen schaffe. Franz Alt will ökonomische Anreize für ökologisches Verhalten sehen. Wie die große Koalition mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) umgehe, ärgert ihn. „Wir bremsen eine wunderbare Idee aus, während die Energiewende anderswo auf der Welt begeistert kopiert wird.“

Er fordert: Raus aus der Kohle! Und zwar sofort. Ein Seitenhieb richtete er an die SPD, die er als störrische Kohlelobby kritisierte. Und das ausgerechnet in der Partei des EEG-Vorkämpfers Hermann Scheer, auf den Franz Alt auch in Bensheim immer wieder positiv zu sprechen kommt. Er plädiert für einen erneuerbaren Energie-Mix aus jeweils rund 40 Prozent Sonne und Wind. Der Rest könne durch Biomasse und Wasserkraft abgedeckt werden. Was an Windkraftanlagen hässlich sei, kann er nicht nachvollziehen. Alt will weg von einer negativen, zerstörerischen Blockadehaltung und hin zu einem neuen ökologischen Verständnis.

Es gehe um die Verbindung von ethischem Bewusstsein und ästhetischer Form. „Wir brauchen eine solare Architektur“, betont er in Bensheim. Die Gesellschaft müsse die Nutzung erneuerbarer Energien und ihre bauliche Umsetzung als elegant, als schick und modern empfinden. Dann würden die bisherigen Vorbehalte schneller zu Boden gehen. Franz Alt bleibt auf der Sonnenseite: „Von Natur aus gibt es kein Energieproblem.“

Von Thomas Tritsch
© Bergsträßer Anzeiger, Dienstag, 05.07.2016