Viel Kritik am „Pakt für den Nachmittag“

Diskussionsrunde der GLB: Mathias Wagner, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landtag, verteidigte das neue Konzept für die Ganztagsbetreuung

Pakt f. den Nachmittag Veranst. GLB am 1.7.15

Bensheim. Ein Erfolgsmodell sieht anders aus. Nur ein halbes Dutzend Grundschulen im Kreis werden den von der schwarz-grünen Regierung aufgelegten „Pakt für den Nachmittag“, der an fünf Tagen ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot von 7.30 bis 17 Uhr garantiert, ab dem kommenden Schuljahr mit Land und Schulträger schließen. Dabei haben im Vorfeld nicht nur Landespolitiker, sondern auch Landrat Matthias Wilkes kräftig die Werbetrommel für das Pilotprojekt gerührt, das nach den Sommerferien in sechs hessischen Landkreisen und Städten an den Start geht.

Warum das Angebot bei Schulen, Eltern, Trägervereinen und Kooperationspartnern auf so viele Vorbehalte und Zurückhaltung stößt, wollte die Grüne Liste Bensheim wissen und hatte deshalb den Fraktionsvorsitzenden und Bildungspolitischen Sprecher der Grünen im Landtag, Mathias Wagner, sowie Maike Wiedewald, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW, zu einem Dialog mit Interessierten in den Faktoreikeller geladen.

Note Vier minus
Einer der Gründe, warum ausgerechnet im südlichsten Landkreis die Resonanz mehr als dünn war, dürfte das bestehende und bewährte Programm „Familienfreundlicher Kreis Bergstraße“ sein.
Aber es gibt auch andere Gründe. Vor allem Elternvertreter, Lehrer und Betreuer stellen der Koalition in Wiesbaden ein schlechtes Zeugnis aus. „Maximal Note Vier minus“ erteilten Besucher der Veranstaltung den Machern des „Pakts für den Nachmittag“ für eine unzureichende Informationspolitik und eine stotternde Vorstellungsrunde des Freiwilligenprojekts mit zu vielen offenen Fragen.
Vor allem eines wurde deutlich: Die Beschäftigten in bestehenden Betreuungsangeboten fürchten um ihre Jobs, bemängeln Verlässlichkeit, die zusätzliche finanzielle Beteiligung der Eltern und kritisieren, dass sich Trägervereine alle paar Jahre wieder neu bewerben müssen.
Die Vorgabe, dass Pädagogen die Betreuung der Sechs- bis Zehnjährigen während der Ferien gewährleisten sollen, wurde mit Kopfschütteln quittiert. Das ganze Konzept sei mit heißer Nadel gestrickt: Rhythmisierte Ganztagsangebote? Fehlanzeige!
Mathias Wagner hielt kräftig dagegen. Der Grüne Landespolitiker sprach von einem „pädagogischen Angebot aus einem Guss“ das vorhandene Betreuungsangebot integriert und miteinander verzahnt. Schwerpunkte des Programms seien zum einen die verlässliche Betreuung von Grundschülern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum anderem Chancengleichheit und Förderung für alle. 230 neue Lehrerstellen pro Schuljahr habe das Land für den Pakt geschaffen.
Ziel sei es, dass alle hessischen Grundschulen in spätestens sechs Jahren bei dem Freiwilligenangebot mitmachen und die Ganztagsschule damit auf den Weg bringen.
Die Finanzen sind sicher, die Zuweisung durch das Land dauerhaft, versuchte Wagner Bedenken über die Zukunft des „Pakts für den Nachmittag“ zu zerstreuen.
GEW-Vertreterin Maike Wiedewald forderte vernünftige Arbeits- und Beschäftigungsmodelle für ein multiprofessionelles Team mit pädagogischem Know-how. Der „Pakt“ zeichne sich hingegen ganz im Gegenteil durch unsichere Beschäftigungsverhältnisse aus: „Eltern wollen eine qualitativ gute Betreuung.“

Idee gut, Konzept mangelhaft
Das Programm und die dafür vorgesehenen Mittel reichten aber genau dafür nicht aus. Beschäftigte freier Träger würden weiterhin unter Tarif bezahlt, Förderstunden im Regelunterricht zugunsten eines „Billigmodells“ umgeschichtet und gestrichen.
Auch Katja Knoch, Schulelternbeiratsvorsitzende an der Schillerschule, Mitglied im Landeseltenbeirat und Mitbegründerin des Netzwerks „Neue Lernkultur an der Bergstraße“, bemängelten zu wenig konkrete Informationen und eine unzureichende finanzielle Ausstattung. Die Idee nannte sie „sehr gut“, die Umsetzung des Konzepts mangelhaft.
Gleichwohl rief sie Kreis, Kommunen und Schulen zu einem Miteinander und einem „Bildungsgipfel am Runden Tisch“ auf. gs

© Bergsträßer Anzeiger, Samstag, 04.07.2015
Quelle: http://www.morgenweb.de/region/bergstrasser-anzeiger/bensheim/viel-kritik-am-pakt-fur-den-nachmittag-1.2320682