Wenn die Nähmaschine spinnt

Haus am Markt: Beim ersten Repair-Café werden kaputte Gegenstände wieder flott gemacht / Großer Ansturm

Reparieren, statt wegwerfen: Diese Idee steht für das „Repair-Café“, das am Samstag erstmals seine Türen in Bensheim öffnete und auf Anhieb regen Zulauf fand.

Bensheim. Der Drucker weigert sich beharrlich, das Papier einzuziehen. In der Nähmaschine haben sich Fädchen verknäuelt und sie zum Stillstand gebracht. Beim CD-Player lässt sich die Schublade nicht mehr öffnen, das Antriebsfach hat seinen Geist aufgegeben. Der Radiowecker brummt unentwegt und geht seiner Besitzerin mächtig auf den Geist.
Mit viel Know-how und Geduld

Der Staubsauger-Roboter macht seinem Namen schon lange keine Ehre mehr – er streikt und dreht sich beharrlich nur noch im Kreis. Das Bügeleisen lässt keinen Dampf ab.

Also, ab mit dem kaputten Krempel auf den Müll? Dass es auch anders geht, dass etliche Zipperlein manches Mal mit ein paar Handgriffen, ein anderes Mal nach aufwändiger Ursachensuche abgestellt werden können, zeigten am Wochenende die Bergsträßer Grünen und die Lautertaler Initiative „Dorf im Wandel“. Sie öffneten für einen Tag das erste „Repair-Café“ in der Region im Haus am Markt. Die Organisatoren wurden vom Ansturm schier überrollt.

Die ehrenamtlichen „Handwerksmeister“, die sich mit viel Know-how und Engelsgeduld an die Reparatur der Mitbringsel machten, hatten buchstäblich alle Hände voll zu tun. Rund um die Tische, auf denen sich Unmengen von Werkzeug stapelte, drängte sich die Kundschaft.

Und die Erfolgsquote konnte sich durchaus sehen lassen. Mehr als die Hälfte der Geräte brachten die Experten wieder zum Laufen. Bei einigen werden Ersatzteile benötigt, die beim nächsten „Repair-Cafè“ eingesetzt werden können. Ein aus dem Takt geratenes Metronom allerdings wird für immer stumm bleiben: Der Übeltäter, eine gebrochene Feder, lässt sich nicht austauschen.
Tüftler und Handwerksmeister

Eine ältere Dame, die ihr genaues Alter nicht verraten wollte – „schreiben sie einfach in den 80ern“ – hatte ihr Diktiergerät mitgebracht, um sich die Gebrauchsanweisung erklären zu lassen. Das Ding wollte einfach nicht funktionieren. Schnell stellte sich die Fehlerquelle heraus: Die Batterien waren falsch herum eingesetzt. Das Diktiergerät hatte die Besucherin von ihren Kindern geschenkt bekommen, um ihre eigenen Kindheitserinnerungen darauf zu sprechen.

„Mir stinkt es gewaltig, dass viele Geräte heute ganz bewusst so gebaut werden, dass sie nach drei Jahren kaputt gehen“, ereiferte sich ein Computerspezialist, der an einem Notebook tüftelte. Zwei junge Familien aus Bensheim und Darmstadt wollten „einfach nur Mal so im Repair-Café vorbeischauen und sich informieren: „Eine wirklich tolle Sache.“ Von allen Seiten gab es Lob für die Initiative, die keine Eintagsfliege bleiben soll.

Und auch der Spendentopf füllte sich nach und nach. Die eigentlichen Dienstleistungen waren allesamt kostenlos – wie auch Kaffee und Kuchen. Ein freiwilliger Obolus wurde hingegen gern angenommen. Schließlich braucht es Bares für die Organisation und Anmietung der Räumlichkeiten. Schon Anfang des nächsten Jahres will man ein weiteres „Repair-Café“ öffnen, möglicherweise dann im Lautertal. gs

Idee aus den Niederlanden
Das erste Bergsträßer „Repair-Cafe“ – eine Initiative gegen Resourcenverschwendung und für soziales Miteinander – wurde von der Grünen Liste Bensheim, Attac Bergstraße, dem Caritasverband und einem Holzbaubetrieb der Region unterstützt. Die Idee stammt aus den Niederlanden von wo sich die Initiative über die ganze Welt verbreitet. gs

© Bergsträßer Anzeiger, Montag, 10.11.2014