Demokratie braucht eine Graswurzelbewegung

Demokratie braucht eine Graswurzelbewegung
Friedensdemo mit Peace-Zeichen

Ich habe lange überlegt, welchen Beitrag ich für das Krokodil schreiben könnte und mich letztendlich für das Thema entschieden, weswegen ich zu den Grünen gekommen bin. Und nein, es ist nicht das Klima, Bio oder Tierwohl, sondern Demokratie. Demokratie ist spannend, denn sie hängt eng mit dem Thema Klima zusammen – von Artenschutz bis zur Energiewende. 

Der Tag, der für mich als Schock in Erinnerung bleiben wird, ist der 24. Juni 2016. Es war der Taq, an dem das Ergebnis des Brexit-Referendums feststand. Es war unvorstellbar für mich, wie ein Land aus der Europäischen Union austreten konnte. Schon Wochen vorher hatte ich die Prognosen beobachtet und mir immer wieder gedacht: So verrückt kann keiner sein. Mit der Zeit wurde klar, dass es hier bei weitem nicht nur um den Willen des britischen Volkes ging, sondern um eine bis dahin beispiellose Kampagne, um den Austritt aus der EU herbeizuführen. Durch qezielten Einsatz der Nutzung von Daten, Zielgruppenmanagement auf Social Media, Meinungsmache, Fake News – ein Cocktail, der später unter anderem auf die Firma Cambridge Analytica zurückgeführt wurde. Die gleiche Firma, die nur wenige Monate später auch Donald Trump für seinen Wahlerfolg nutzte. Und auch hier: ein Schock, allerdings einer, dessen Eintritt vorhersehbarer war.

Obwohl seit 2020 Joe Biden Präsident der USA ist, sehen wir selbst heute noch die Folgen von Donald Trump und z.B. seinen Bemühungen um „passende“ Richter im Supreme Court, wenn es z.B. um die Abschaffung des Rechts auf Abtreibung geht (Roe vs. Wade). Von seiner Abwahl und der draus resultieren-
den und immer noch anhaltenden Lüge des gestohlenen Wahlsieges, die schließlich 2021 im Sturm auf das Kapitol gipfelte, ganz zu schweigen.

Probleme ferner Staaten? Mitnichten.

Schauen wir nach Deutschland. Auch hier wurde versucht, wenn auch mit ande-
rer Motivation, den Reichstag zu stürmen. Erfolglos, aber nicht weniger erschreckend. Und das war nur die Spitze des Speers, der aktuell auf die Demokratie in Deutschland und Europa angesetzt wird. Eine russische Social Media Kampagne gegen Annalena Baerbock sollte die Bundestags-Wahlergebnisse verändern. Und auch aktuell befeuert Russland Telegram-Kanäle,
in denen die Grünen für die Energiekrise verantwortlich gemacht werden – erst vor kurzem wurde eine neue Desinformationskampagne gegen Annalena
Baerbock bekannt.

Parallel arbeiten Vertreter von Lobbyorganisation daran, ihre Interessen durchzusetzen. Und obwohl sie aus unterschiedlichen Branchen stammen – eines ist ihnen gemeinsam: Sie haben kein Interesse an einer grundlegenden Energiewende, einer Agrarwende oder einer feministischen Außenpolitik. Im Gegenteil: Der Status quo soll um jeden Preis beibehalten werden.

Wenn man auf Gas und Atomkraft blickt, könnte man den Eindruck gewinnen, dass das auch trotz einer grünen Beteiligung in der Bundesregierung ganz gut
klappt. Ich bin, wie ein Großteil der Grünen, kein Freund davon, dass Gas jetzt eine Brückentechnologie ist oder dass Atommeiler zur Sicherheit am Netz bleiben. Gleichzeitig ist aber offensichtlich, dass die Energiewende zu lange verschleppt wurde von denjenigen, die jetzt über die Maßnahmen der aktuellen Regierung zetern. Doch noch akuter ist in der aktuellen Situation m.E., dass die Gesellschaft nicht auseinanderbricht. Dass sie nicht an Populisten verloren wird und die Menschen noch politikmüder werden.

Wir brauchen politikinteressierte Menschen in unserer Demokratie! Sei es als Wähler, damit die notwendigen Gesetze durchgebracht werden können, oder als Gestalter in der Zivilgesellschaft.

Das nicht aus dem Blick zu verlieren ist für mich auch eine Form des Kampfes für Demokratie. Denn ohne demokratische Grundordnung, die die Menschen mit
Leben füllen, wird auch der Kampf gegen den Klimawandel nicht gelingen.

Und dass dieser Kampf der Bevölkerung wichtig ist, zeigt z.B. eine aktuelle Barmerstudie – nur 14 % der befragten Jugendlichen haben keine Angst vor dem
Klimawandel. 52 % der Befragten im ARD-Deutschland-Trend (Juli 2022) geben an, dass Klimaschutz auch in der aktuellen Krise nicht hintenanstehen
soll.

In einer Demokratie müssen diese Stimme gehört werden. Werden sie es nicht, führt das Gefühl von Ohnmacht zu Demokratieverdruss.

Demokratie und der Kampf gegen den Klimawandel gehören für mich daher zusammen. Die Welt ist vernetzt und kompliziert. Einfache Lösungen gibt es in so einer Welt nicht. Das spielt Populisten in die Hände, das sehen wir derzeit in Schweden oder auch Italien. Es gibt zu viele Akteure, die kein Interesse an einer Veränderung des Status quo haben.

Eine der wichtigsten Aufgaben in der aktuellen Zeit ist dafür aus meiner Sicht die Bewahrung der Demokratie. Hierzu gehört Aufklärung, Medienkompetenz, es gehört dazu, sich nicht von Social Media treiben zu lassen und sich auf die wichtigen Aufgaben zu konzentrieren. Die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die Zukunft zu gestalten. Die Bedürfnisse der Bevölkerung über
die von Stimmenfanq zu setzen.

Und es braucht Menschen vor Ort, die sich dafür einsetzen und aus einer Idee tatsächliche Veränderungen machen. Daher schaut vorbei und macht mit – es geht um mehr als nur eine Parteifarbe.

 

Melanie Usselmann