Bekenntnis für Demokratie und gegen Rechtsextremismus

Gedenktag: Zusammenkunft am Stolperstein in der Bensheimer Fußgängerzone am 72. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz

Bergstraße. Ein starkes Bekenntnis für Demokratie, Frieden und Freiheit und gegen Terror, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus und Rechtspopulismus legten am Holocaust-Gedenktag die Teilnehmer einer Kundgebung am großen Stolperstein vor der Alten Faktorei ab. Den 72. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee nahmen Gewerkschafter sowie Vertreter von Stadt und Kirche zum Anlass, an die Verbrechen des Nazi-Faschismus zu erinnern und gleichzeitig ein Zeichen zu setzen „gegen den Rechtsruck in Europa, Deutschland und der ganzen Welt.“

DGB-Regionssekretär Horst Raupp: „Wir sind hier, um deutlich zu machen, dass in Bensheim und im Kreis Bergstraße für rassistische Hetze kein Platz ist. Für Rassisten und braune Verbrecher ist in Südhessen kein Raum!“

Als wichtigen Beitrag zur kommunalen Erinnerungskultur bezeichnete das Bensheimer Magistratsmitglied Peter E. Kalb – der gleichzeitig im Namen der Geschichtswerkstatt Jakob Kindinger sprach – die vom GEW-Kreisvorstand initiierte Gedenkveranstaltung. Kalb blieb, wie die anderen Redner nach ihm, nicht bei unverbindlichen Ansagen, sondern rückte Einzelschicksale und Nazi-Verbrechen vor der eigenen Haustür in den Mittelpunkt seiner Ansprache. Er thematisierte die Vertreibung und Deportation der jüdischen Mitbürger von Bensheim in die Vernichtungslager, die Kirchbergmorde, die Ermordung zweier amerikanischer Piloten, das Schicksal der griechischen Zwangsarbeiter im Marmoritwerk Hochstädten, die Hinrichtung von drei jungen Soldaten vor dem alten Wasserwerk und das „fliegende Standgericht Helm“ am 23. März 1945.

Als längst überholt beschrieb Kalb den Appell früherer Jahre, den Anfängen von Rechtspopulismus Paroli zu bieten. „Wir sind mittendrin“, erklärte er, auch mit Blick über die Grenzen Deutschlands hinaus. Klare Stellung bezog er zur AfD und zu Björn Höcke und forderte den Rauswurf des „rechtsradikalen Nazis“ und hessischen Lehrers aus dem Schuldienst.

Das Leiden und die Ermordung des polnischen Zwangsarbeiters Jan Rogacki, der am 1. Oktober 1942 ohne Gerichtsurteil auf Anweisung Himmlers und unter Beteiligung der Gestapo Darmstadt in Heppenheim hingerichtet wurde, brachte Franz Beiwinkel vom DGB Bergstraße in Erinnerung. Dass Rogacki nicht in Vergessenheit geraten sei, sei der Geschichtswerkstatt zu verdanken. Auf einem unscheinbaren Holzschild stehe heute sein Name. Geplant sei, so Beiwinkel, eine Gedenktafel für alle Zwangsarbeiter im ehemaligen Tonwerk aufzustellen.

„Wir müssen neu lernen, Sprache, Lügen und Falschmeldungen zu durchschauen“, rief Dekan Arno Kreh vom Evangelischen Dekanat Bergstraße zum Umdenken auf und warnte vor einem Dauerzustand aus Angst und Hassbotschaften: „Politik darf nicht durch Stimmungen beeinflusst und gemacht werden.“ Globales Denken statt Abschottung und soziale Gerechtigkeit statt Ausgrenzung forderte er von der Zivilgesellschaft.

Auch Manfred Forell von der Initiative gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit machte sich stark dafür, „verbal abzurüsten, denn: Worte sind stets die Grundlage für Taten gewesen. Schlagworte sind wie Brandsätze.“ Es gelte, Widerstandsnester gegen das Niedermachen von Andersdenkenden auszuräumen.

„Wir sind heute hier, um ein deutliches und unmissverständliches Zeichen zu setzen gegen Neofaschismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen rechte Hetze und rechte Gewalt“, machte DGB-Regionssekretär Horst Raupp unmissverständlich deutlich und ergänzte: „Wir bekennen uns klar und eindeutig zum Recht auf Asyl.“ Es sei nicht hinnehmbar, dass das bereits beschädigte deutsche Asylrecht weiter eingeschränkt werde, auch nicht durch eine Liste sogenannter sicherer Herkunftsländer.

Angesichts der massiv zugenommenen fremdenfeindlichen Gewalt in Deutschland sei es unabdingbar, dass Polizei und Justiz den „rechten Hasspredigern, Brandstiftern und Schlägerbanden mit aller Härte des Gesetzes entgegentreten. Für rassistische Straftaten und braunen Terror darf es null Toleranz geben.“ Unmissverständlich rechnete er in diesem Zusammenhang mit der AfD ab, die er als „rassistische Partei hinter einer scheinbar bürgerlichen Fassade“ bezeichnete.

Besorgt äußerte sich Toni Schwarz, Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft Südhessen, über die Zunahme des Neofaschismus in Europa. „Die Geschichte darf sich so nicht wiederholen“, stellte er unmissverständlich klar.

Mit einer Gedenkminute für die Opfer des Nationalsozialismus endete die Kundgebung.
Mahnmal gegen das Vergessen

Seit 1966 ist der 27. Januar ein nationaler Gedenktag in Deutschland für die Opfer des Nationalsozialismus.

Im Jahr 2005 wurde er von den Vereinten Nationen weltweit zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts erklärt.

In Bensheim findet seit einigen Jahren eine Kundgebung am Stolperstein in der Stadtmitte ein.

In Bensheim gibt es fast dreißig Stolpersteine, die an jene Menschen erinnern, die hier wohnten, vertrieben, beraubt und ermordet wurden. Hinzukommen soll demnächst einen Texttafel an der Alten Faktorei. gs

Quelle: Bergsträßer Anzeiger 30.1.17
Von Gerlinde Scharf