Konzentrationslagers Auschwitz, Erinnerung wahren, Gefahren erkennen

Gedenken: GEW-Kreisverband Bergstraße erinnerte gestern in Bensheim an den Holocaust / 70 Jahre nach der Befreiung des

27.1.15 Gedenkveranstaltung Mahnmal Stolperstein

Bergstraße. Auf den Tag genau 70 Jahre nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) im Kreis Bergstraße an die Opfer des Holocaust erinnert. Bei der Kranzniederlegung am Stolperstein-Mahnmal neben dem Bensheimer Bürgerwehrbrunnen fanden die Redner deutliche Worte für die Pegida-Bewegung.

„Fremdenfeindlichkeit ist noch in vielen Köpfen“, sagte Holger Giebel aus dem GEW-Kreisvorstand. Trotz der zeitlichen Distanz zu 1945 sei das Gedankengut von damals auf erschreckende Weise aktuell.

Vorsitzender Tony Schwarz forderte die Gesellschaft dazu auf, den „destruktiven Kräften“ etwas Positives entgegenzusetzen. Schwarz kritisierte, dass Demonstrationen wie jene der Islamgegner Pegida als Ausdruck einer kollektiven öffentlichen Besorgnis verklärt würden.

Nicht verharmlosen

Auch Manfred Forell (Initiative gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit) warnte davor, tendenziell bis radikal rechtes Gedankengut unter dem Deckmantel des „Wutbürgers“ zu verharmlosen: „Es ist bedrohlich, wenn eine Gesellschaft den Eindruck erweckt, sich gegen Minderheiten zu stellen.“ Er kommentierte die aktuelle Situation als beängstigend.

„Der moderne Antisemitismus zeigt sich weniger deutlich, er äußert sich in Synonymen und Codes“, so Günter Löffler vom Bensheimer Arbeitskreis Kirchbergmorde.
Die Zivilgesellschaft müsse jetzt dringend aufstehen und sich offensiv – aber friedlich mit den Mitteln des Rechtsstaats – für ein demokratisches, buntes und offenes Miteinander starkmachen. „Flüchtlinge suchen Schutz, Sicherheit, Freiheit und eine menschenwürdige Zukunft. Wir brauchen Solidarität statt Misstrauen“, so Forell in Bensheim.

Grünes Gesteck für Veranstaltung am 27.1. Holocaust-Gedenktag

Unterstützt wurde die Mahnwache vom DGB-Kreisverband. Vorsitzender Franz Beiwinkel bezeichnete den Holocaust als systematische Vernichtungsmaschinerie von historisch einzigartiger Dimension. Er skizzierte das Schicksal jener Menschen, die dem „Euthanasie-Programm“ der Nazis zum Opfer fielen. Über die damalige Heppenheimer Heil- und Pflegeanstalt wurden hunderte Menschen in die Tötungsanstalt Hadamar gebracht, wo ab 1941 etwa 14 500 Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen ermordet wurden. „Es ist unsere Aufgabe, die Leben der Schwachen zu schützen“, sagte Beiwinkel.

Ute Schmitt (DGB) ging auf die Anschläge von Paris ein. Diese hätten gezeigt, dass eine verstärkte Überwachung und Polizeipräsenz nicht zwangsläufig zu mehr Sicherheit führe. Vielmehr gehe es darum, die Gesellschaft im Innern demokratisch zu festigen und die Gemeinsamkeiten zwischen den Kulturen und Religionen stärker zu betonen.

Angelika Köster-Loßack vom Auerbacher Synagogenverein zitierte die Literatur-Nobelpreisträgerin Imre Kertesz: „Auschwitz war kein Betriebsunfall. Es kann sich wiederholen.“ Man müsse Demokratie nach außen verteidigen und nach innen wahren. Die 87-jährige KZ-Überlebende Ilse Singer, die in Auschwitz und Bergen-Belsen war und heute in Israel lebt, habe zum 70. Jahrestag gegenüber Köster-Loßack erklärt. „Wir müssen die Erinnerung an diese Verbrechen bewahren, um zu erkennen, wann es wieder so weit ist.“

Sinnbild für das Leid

Peter E. Kalb von der Geschichtswerkstatt Jakob Kindinger sagte, das größte deutsche Konzentrationslager sei Sinnbild für das Leid, das Menschen anderen Menschen zufügen können. Die Erfahrungen der Vergangenheit müssten die Menschen heute umso mehr lehren, Neonazis und Rechtsradikalen mit aller Kraft entgegenzutreten. „Wir wollen eine offene und bunte Stadt, in der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz haben.“
Die Mahnwache endete mit einer Schweigeminute für die Holocaust-Opfer.

Forderung nach Schlussstrich
Nach einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung möchte sich eine große Mehrheit der Deutschen nicht mehr mit dem Holocaust beschäftigen:
81 Prozent wollen die Geschichte der Judenverfolgung „hinter sich lassen“. 58 Prozent sprachen sich dafür aus, einen „Schlussstrich“ zu ziehen.Die Israelis sehen die Deutschen so positiv wie nie zuvor: 68 Prozent haben heute eine gute Meinung vom einstigen „Land der Täter“. tr

Quelle: Bergsträßer Anzeiger, Mittwoch, 28.01.2015
Von Mitarbeiter Thomas Tritsch

Holocaust-Gedenktag
Der Holocaust-Gedenktag ist seit 1996 gesetzlich verankert.
Am 27. Januar 1945 befreite die Rote Armee das KZ Auschwitz. Dort hatten die Nationalsozialisten rund 1,1 Millionen Menschen ermordet.
Insgesamt kamen in den Vernichtungslagern rund sechs Millionen Juden ums Leben. Zu den Verfolgten zählten aber auch Sinti und Roma, Homosexuelle, psychisch Kranke und Oppositionelle. tr

Am Stolperstein Bensheim Gedenkveranstaltung 27.1.15