Gedenkfeier für die Opfer der Kirchbergmorde im März 1945

Zum Gedenken an die Opfer des NS-Terrors in den letzten Tagen vor der Befreiung im März 1945 hat die Grüne Liste Bensheim- Die Grünen (GLB) am Volkstrauertag zu ihrer traditionellen Erinnerungsfeier am Kirchberg eingeladen.

Dr. Angelika Köster Loßack, Sprecherin der GLB, begrüßte alle Anwesenden und rief zur gemeinsamen Erinnerung an die unschuldigen Opfer der verbrecherischen Kirchbergmorde und zum gemeinsamen Nachdenken über die Wirkung dieser Erinnerung für unsere Gegenwart und Zukunft auf und legte für die GLB einen Kranz nieder. Hannelore Schmanke und ihre Schülerinnen Hannah und Leonie Müller sorgten als Querflöten-Trio für die musikalische Begleitung.
Frau Dr. Köster-Loßack sagt in ihrer Gedenkrede: Wir sind nicht nur hierher gekommen um der Verfolgung, der Inhaftierung, der Demütigung und der Ermordung der Opfer zu gedenken, oder zu versuchen, uns vorzustellen ,was wir an Stelle der vielen Zeuginnen und Zeugen dieser Verbrechen selbst getan hätten. Wir sind auch hierher gekommen, um uns unserer gemeinsamen Überzeugung zu versichern, dass wir es heute und in Zukunft nicht dulden werden, wenn die menschliche Würde mit Füßen getreten wird, wenn Menschen zum Freiwild erklärt, zusammengeschlagen und umgebracht werden.
Für diese Bedrohung ist heute nicht unser Staat verantwortlich, der einen institutionalisierten Antisemitismus, Rassismus und Fremdenhass wie im Nationalsozialismus durch die Regeln des Grundgesetzes normativ außer Kraft gesetzt hat. Diese Bedrohung erwächst aus einer menschenverachtenden Weltsicht, die sich vieler Elemente der nationalsozialistischen Ideologie bedient, und die in unüberschaubar vielen rechtsradikalen websites des Internets bedient wird.
Aus der Erinnerung muss die Verantwortung für unsere gemeinsame Zukunft wachsen, das heißt , die Überzeugung jederzeit wachsam zu sein !
Nachdem am 17.März 1945 die amerikanischen Truppen Bad Kreuznach erreicht hatten, bereitete die Gestapo die Räumung ihrer Dienststelle in Bensheim vor. Der größte Teil der Gefangenen, die Mitte März aus einem KZ-Außenkommando bei Lorsch ins Bensheimer Gefängnis gebracht worden waren, wurden vom 21.bis23.März in Richtung Osten verschleppt.
Am 23.März überschritten die Amerikaner bei Gernsheim den Rhein. Am gleichen Tag wurden in Bensheim drei junge Soldaten zum Tode verurteilt und vor den Augen der Bevölkerung zum Wasserwerk am Kirchberg geführt und ermordet. Der Vorwurf war Fahnenflucht.
Am 24.März gegen 20.00 Uhr marschierte das mit Maschinenpistolen bewaffnete Sonderkommando der Gestapo zum Gefängnis, wo, nach Verlesung ihrer Namen, 14 Gefangene aus ihren Zellen geholt wurden:
Gretel Maraldo aus Offenbach,verfolgt wg.angebl.Zugehörigkeit zu einer oppositionellen Jugendgruppe
Rosa Bertram aus Worms, verfolgt wg. ihrer jüdischen Abstammung
Lina Bechstein aus Kriegsheim, verfolgt wegen .ihrer jüdischen Abstammung
Frederic Roolker aus Holland, Hintergründe der Verfolgung unbekannt
Lothaire Delaunay aus Frankreich, Kriegsgefangener
Eugene Dumas aus Frankreich, Kriegsgefangener
Jakob Gramlich aus Bonsweiher, verfolgt aus politischen Gründen
Johann Goral aus Polen, Zwangsarbeiter politischer Opposition beschuldigt
Alex Romanow aus Russland, als politisch „Abtrünniger“ verdächtigt
Walter Hangen aus Worms, verfolgt wg.“Fahnenflucht“
Erich Salomon aus Worms, verfolgt wegen .seiner jüdischen Abstammung
Außerdem drei weitere Männer, die nicht identifiziert werden konnten.
Die Gefangenen gingen in Dreierreihen durch die Wilhelmstraße, dann die Kirchbergstraße,in Richtung Kirchberg.
An der Gabelung Ernst-Ludwig-Straße/Bismarckstraße flüchtete Alex Romanow, auch Gretel Maraldo nutzte diesen Moment zu einem Fluchtversuch.Beide wurden von Schüssen getroffen, Gretel Maraldo tödlich, während Alex Romanow entkommen konnte. Er überlebte.
Die Gefangenen zogen weiter bis zum Edelmannsgrund, wo sie Halt machten.Lothaire Delanay und Eugene Dumas wurden durch Genickschüsse ermordet,Johann Goral nur durch zwei Streifschüsse verletzt. Er konnte sich verstecken,während die Gestapoleute die nächsten Opfer holten. Er überlebte.
Die ideologische Begründung für ihre Verfolgung, von der Diskriminierung bis in den Tod, wurde ihren Mördern von der NS-Doktrin geliefert. Dies erklärt nicht, warum die Täter ohne jedes Mitgefühl ihre grausamen Taten begangen haben.
Von einem US-Militärgericht wurden vier Verantwortliche für den Mord an den gefangenen amerikanischen Soldaten zum Tode verurteilt und im Oktober 1948 hingerichtet.
Wegen der Ermordung der Gefangenen am Kirchberg durch die Gestapo erstattete die Bürgermeisterei Bensheim im August 1946 Anzeige beim Oberstaatsanwalt in Darmstadt. Nach drei Jahren wurde endlich gegen einen der Beteiligten, Köhler, Anklage erhoben.
Im August 1949 wurde er wegen Beihilfe zum Mord in 12 Fällen und zum versuchten Mord in zwei weiteren Fällen zu einer Zuchthausstrafe von 3 1/2 Jahren verurteilt.