Leserbrief von Wolfgang Weiss zur MEGB

Nach der Lektüre des Artikels „Eine Stadtverordnetenversammlung wie Kraut und Rüben“ sowie des Artikels „Dr. Lücken: Rathaus vernebelt Fakten statt aufzuklären“ frage ich mich welche Provinzposse hier von den Beteiligten und leider auch unterstützt vom BA inszeniert werden soll. Es wäre der Stadt Bensheim sicherlich dienlicher, wenn man mit mehr sachlichen Argumenten und weniger politischem Getöse versuchen würde, eine schwierige Situation in den Griff zu bekommen und die Neuausrichtung der MEGB mit aller Kraft vorantriebe.

Die wesentlichen Fakten, die für eine solche Neuausrichtung vonnöten sind, sind seit langem bekannt. Spätestens mit dem Zwischenbericht von Frau Eickermann-Riepe von Price Waterhouse Coopers am 12.2.04 in der Stadtverordnetenversammlung war klar, in welcher Größenordnung die Verluste der MEGB aus dem Projekt Stubenwald liegen würden und auch in welcher Höhe offene Risiken durch eingereichte Klagen bestehen. Hinzu kommt noch im wesentlichen der Verlust durch den Misserfolg der Berufsakademie. Aber auch schon vor dem Bericht von Frau Eickermann-Riepe gab es genügend Schätzungen, in welcher Größenordnung der Verlust der MEGB liegen würde. Die im Artikel vom Samstag dem 5.6 geschilderte Situation kommt also weder plötzlich noch unerwartet, genauso wenig wie aus den 1,14 Millionen Euro plötzlich 5,5 Millionen geworden sind.

Wie es zu dieser Situation gekommen ist, wurde ebenfalls spätestens durch den Bericht von Frau Eickermann-Riepe im Februar deutlich. Die Schwierigkeiten, das Gelände zu vermarkten, wurden unterschätzt, es wurde niemals eine Prognoserechnung über das Gesamtprojekt durchgeführt, genauso wenig wie es einen Gesamtbericht über dieses Projekt gab. Stattdessen, und dafür trägt im wesentlichen Herr Dr. Lücken die Verantwortung, wurde die Geschäftslage der MEBG immer sehr rosig dargestellt. Natürlich wurde von der Stadtverordnetenversammlung mit großer Mehrheit entschieden, die Berufsakademie in Bensheim anzusiedeln und das Naturschutzzentrum zu bauen. Die Beauftragung der MEGB die Investitionen vorzunehmen fand jedoch unter völlig falschen Voraussetzungen statt. Hätte Herr Dr. Lücken seinerzeit die Geschäftslage der MEGB realistisch dargestellt und auch auf die Risiken hingewiesen, hätte man diese Beauftragung sicherlich einer wesentlich genaueren Prüfung unterzogen. Hätte Herr Dr. Lücken dafür gesorgt, die Bewertung der Risiken in einer ordentlichen Projektplanung darzustellen oder auch eine möglicherweise die Bilanz erheblich beeinflussende andere Bewertungsweise publik zu machen, hätte man schon viel früher korrigierende Maßnahmen einleiten können.

Der Versuch, diese Verantwortung jetzt auf den Aufsichtsrat oder die ehrenamtlichen Geschäftsführer abzuwälzen, ist schäbig. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob man sich hauptamtlich um eine Aufgabe kümmert und das große Ganze im Auge hat oder im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit über einzelne Details informiert wird.

Was Herr Dr. Lücken jetzt als nachträgliche Änderungen im Bewertungsmodus bezeichnet, hat zur Konsequenz, dass die Bilanzen der MEGB um mehrere Millionen Euro korrigiert werden müssen. Diese andere „Betrachtungsweise“ war zum Zeitpunkt der Erstellung der Bilanz jedoch sicherlich auch schon möglich. Dies wurde jedoch damals offensichtlich nicht deutlich gemacht, was erst die positive Darstellung der MEGB in der Öffentlichkeit ermöglichte. Genauso wenig wurde sich um ein effizientes Projektcontrolling gekümmert, was letztendlich dazu führte, dass Herr Dr. Lücken selbst im Nachhinein nicht fähig war, kostendeckende Preise für das Gelände zu berechnen. Diese, wenn man es freundlich bezeichnen möchte, Schlamperei zieht sich wie ein Leitfaden durch die gesamte Geschäftsführung von Herrn Dr. Lücken bei der MEGB. Ob es die Verzinsung der Gelder auf einem Girokonto betrifft; es gibt schließlich auch Tagesgeldkonten, die erheblich mehr Zinsen als 0,5% abwerfen und wo das Geld auch jederzeit zur Verfügung steht, oder die Errichtung des Kindergartens in den Kappesgärten wo schon das Kreisrevisionsamt die Dokumentation und Rechnungsstellung beanstandet.

Offensichtlicherweise hatte Herr Dr. Lücken zu keinem Zeitpunkt ein Interesse daran, die wahre Situation der MEGB zu schildern, sonst hätte er sicherlich Rückfragen über den Sinn seines Gehaltes zu erwarten gehabt.

Leider, und das ist sehr bedauerlich, stellt der BA Herrn Dr. Lücken jetzt schon zum wiederholten Male die Plattform zur Verfügung, seine schöngefärbte Darstellung der Vergangenheit der Öffentlichkeit zu präsentieren und dies, ohne diese Darstellung im Mindesten zu hinterfragen, obwohl alle Informationen die dies ermöglicht hätten, zum großen Teil bereits im BA veröffentlicht wurden und der Redaktion zur Verfügung stehen.

Mit einem aber hat Herr Dr. Lücken wohl leider recht: Die Stadt bürgt für alle Verluste der MEGB. Daher ist es für die Stadt sicherlich völlig unsinnig, einen Insolvenzantrag zu stellen, da man keinerlei finanzielle Vorteile aus einem solchen Antrag zu erwarten hätte, die Kontrolle über die MEGB jedoch einem Insolvenzverwalter überlassen müsste. Die Zustimmung der Stadtverordneten in der Sitzung am Donnerstag ist daher nichts anderes als eine Bestätigung eines ohnehin bestehenden Sachverhalts. Wenn diese Situation durch das Selbstdarstellungsbedürfnis von Herr Steinert oder durch das Verlassen der Stadtverordnetenversammlung durch der Opposition zu politischen Spielchen genutzt wird, hilft dies an dieser Stelle nicht im Mindesten weiter.

Es kann nur im Interesse der Stadt sein, so schnell wie möglich eine Neuausrichtung der MEGB zu veranlassen, insbesondere, da die Zinsbelastung aus den nicht getilgten Krediten für das Stubenwaldgelände stetig weiterläuft und auch die jetzt genannten 5,5 Millionen Euro nur eine
Schätzung sind, da ja die Jahreabschlüsse für 2002 und 2003 noch nicht vorliegen.

Herr Steinert, der ja offensichtlich mit Herrn Dr. Lücken gut befreundet ist, warum wäre er sonst als einziger Vertreter einer Partei bei dem Gespräch von Dr. Lücken und Herrn Bänker anwesend, muss sich fragen lassen, warum er die Zeit des Magistrats und mehrerer Stadtverordneter durch die Einberufung des Akteneinsichtsausschusses verschwendet.

Obwohl sonst über sämtliche Aktivitäten Herrn Steinerts berichtet wird, ist es mir entgangen, dass er im Akteneinsichtsausschuss irgendeine relevante Frage gestellt oder in sonstiger Weise dazu beigetragen hätte, Lösungen für die Situation bei der MEGB zu entwickeln.

Ich denke, alle wesentlichen Informationen sind verfügbar, man muss lediglich die Zeitung lesen, auch wenn es hier wünschenswert wäre, in den Artikeln deutlicher zu machen, wobei es sich um Fakten, Vermutungen oder Kommentare handelt.

Wolfgang Weiß
Bensheim