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Rede von Franz Apfel zum "Rieselkeller"

Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine Damen und Herren,

heute steht mal wieder ein Dauer-Aprilscherz, über den in Bensheim schon kräftig gelacht wurde, auf der Tagesordnung. Über die Jahre ist den Eingeweihten das Lachen allerdings ganz schön vergangen.

In diesen Dauer-Aprilscherz reiht sich der heutige FDP-Antrag nahtlos ein und zwar aus zwei Gründen:

  1. Ein Nutzungskonzept gibt es nur wenn ein Nutzer da ist und ein Nutzer kommt nur wenn die Brandschutzauflagen erfüllt werden und das bedeutet mindestens weitere 600.000 Euro zu investieren. Das bedeutet, dass die Stadt Bensheim nochmals eine unverantwortbare Summe in ein Abenteuer landläufig auch als Fass ohne Boden in Bensheim bestens bekannt, investieren würde. Das so ein Blödsinn von einer Partei kommt, die sich gerne als Sparkommissare hier aufführt ist für mich bezeichnend.
  2. 2. Oder die Voraussetzungen für eine endgültige Stilllegung für den Stadtkeller zu erarbeiten. Das ist Blödsinn Nummer 2: denn dann müssten ca. 860.000 DM, die die Stadt als Zuschuss Zweckgebunden erhalten hat, zurückgezahlt werden.

Meine Damen und Herren,

es gibt keine Patenlösung für das Fass ohne Boden, das sich Stadtkeller, Rieselkeller, ehemaliger städtischer Weinkeller, oder wie auch immer nennt.

Ich habe mein Archiv weit geöffnet und will mit ihnen mal eine kleine Zeitreise machen.

Entstanden ist die Idee, den damaligen Gewölbekeller des ehemaligen städtischen Weingutes einen Weinkeller der besonderen Art zu machen im Oktober 1989. Damals traf sich eine illustre Runde von Weinkellern in dem Gewölbe und begeisterte sich an dem Vorschlag – einem Vorschlag, den die Stadt viel Geld kosten würde uns bis heute zu einem nicht nutzbaren Fass ohne Boden wurde.

Mit eineigen Zeitungsüberschriften will ich ihnen den Gang des Rieselkellers durch die Bensheimer Kommunalpolitik schmackhaft machen:

Echo vom 7. 4. 93: „Staubfreies Trinkvergnügen – Sektfestival wird vom Stadtkeller ins Bürgerhaus verlegt“.

BA vom 8. 4. 93: „Steinfestiger gegen die starke Dauerberieselung im Stadtkeller – Nach Probelauf schreibt Magistrat das Gewerk aus“.

BA vom 10. 5. 94: „Der Stadtkeller: eine neue unendliche Geschichte ? – nach zwei Stunden Debatte herrscht weiter Klärungsbedarf“.

Im Text des Artikels vom 10. 5. 94 ist u. a. folgende spaßige Information zu lesen: „Die Binding-Brauerei zahlte für die Möblierung des Kellers 150.000 Mark. Achtung und jetzt kommt's: „Dies natürlich nur unter der Maßgabe, dass bis ins Jahr 2003 nur Produkte dieser Brauerei zum Ausschank kommen.“ Wir haben jetzt das Jahr 2005.

BA vom 19. 5. 94: „Hickhack um Stadtkeller dauerte Wirt zu lange- Pächter in Wartestellung Philipp W. Paul gab gestern auf/Schloß-Wirt Andreas Pietralla zeigt Interesse....“

BA 6. 7. 96: „CDU kritisiert Verweigerungshaltung von FWG und GLB – Bebauung nördlich des Rodensteiner Hofes und Sanierung des Stadtkellers noch vor der Sommerpause vorantreiben.“

BA 12. 7. 96: „Zwischen Ehrung und Small-talk gibt’s Zoff um den Stadtkeller – durch Schulterschluß von CDU- und SPD-Fraktion werden außerplanmäßig 40.000 Mark für Bauvorbereitung bereitgestellt.“

BA 12. 7. 97 – ein Jahr später: „Trauerspiel oder Posse – Rieselkeller und kein Ende/Teurer Spaß für die Stadt/Keller immer noch nicht nutzbar.“ Und weiter im Text:
„Bis zum heutigen Tag ist der Stadtkeller eine Bauruine. Das neue Bündnis von CDU und FWG hat sich dazu durchgerungen, noch einmal Geld zu investieren. Der FWG-Fraktionsvorsitzende Michael Travnicek ist von seinem vorschlag- damals noch Bürgermeisterkandidat – den Keller abzuschließen und den Schlüssel wegzuwerfen, weit abgerückt.“

BA vom 3. 9. 97: „Andreas Pietralla fühlt sich von Stadt getäuscht- Ex-Pächter und die Bensheimer Bürgerhaus-GmbH vor Gericht/Streitobjekt: Rieselkeller.“

Meine Damen und Herren,

mit Schreiben vom 29. 2. 1996 wurde über das parlamentarische Büro den Fraktionen eine Check-Liste übergeben, in der die städtischen Fehler, und es handelt sich ausschließlich um Fehler der Stadt aufgelistet sind.

Ich muss mich zeitlich beschränken, deshalb nur zwei Zitate:

Auf Seite 1 ist zu lesen: „Januar 1991 Vorstellung des Nutzungskonzeptes in den städtischen Gremien: Beratung im Magistrat mit dem Hinweis, dass eine komplette Klimatisierung nicht für erforderlich gehalten wird (trotz anders lautender Empfehlung des Fach. Ing. Büros Weritzel aus dem Jahr 1989)“.

Seite 2: „Auflagen der Baugenehmigung wurden bei Abfassung des Leistungsbeschriebes nicht ausdrücklich erwähnt. Brandmeldeanlage wurde sogar aus dem Leistungskatalog herausgenommen.“

Von da an nahm das finanzielle Desaster seinen Lauf. Das achtseitige Schreiben aus dem Bauamt ist übrigens über die zwei Zitate hinaus sehr lesenswert.

Das Projekt Stadtkeller hätte es verdient gehabt, damals in die jährliche Liste des Bundes der Steuerzahler aufgenommen zu werden. Ich hatte 1997 an den Bund der Steuerzahler geschrieben, alle Unterlagen beigefügt, doch dieser Bund hat das nicht in seine jährliche Liste der Verschwendungen aufgenommen. Das hat mir doch sehr zu denken gegeben. Seit dieser Zeit lese ich die Berichte des Bundes der Steuerzahler zurückhaltender und frage mich, wie viel Politik wird dabei gemacht.

Meine Damen und Herren,

sie können sicherlich verstehen, wenn ich meiner Fraktion und darüber hinaus der Koalition empfehle, keine müde Mark mehr zu investieren, bevor nicht klar ist, dass sich diese Investition auch wirklich rentiert. Und ich kann aufgrund der Vorgeschichte genauso wenig empfehlen, die Tür zuzuschließen und den Schlüssel wegzuwerfen. Dann wären nämlich 860.000 DM an Zuschüssen fällig, die die Stadt zurückzahlen muss.

Also Finger weg ohne einen solventen Nutzer mit einem stimmigen Konzept. Das Projekt Stadtkeller bleibt eine unendliche Geschichte – alles andere würde sehr sehr teuer für unsere Stadt werden.

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