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Redebeitrag von Hille Krämer zur Stadtverordnetenversammlung am 13.03.08

zum Regionalplanentwurf und Gewerbegebiet Stubenwald 2

Die Stellungnahme der Stadt Bensheim zum Regionalplanentwurf stellt in vielen Bereichen eine moderate Stadtentwicklungsplanung dar, die genügend Raum für eine relativ maßvolle Siedlungs- und Gewerbegebietsentwicklung bietet. Von den von der Stadt aufgezählten 21 Punkten können wir allen zustimmen bis auf einen Punkt, nämlich die Beantragung des zusätzlichen Gewerbegebiets Stubenwald 2, westlich der Robert Bosch Str.

Die GLB-Fraktion ist der Überzeugung, dass Stubenwald 2 mit seiner Bruttofläche von 28 ha und der vom Magistrat vorgesehenen Nettofläche von 19,8 ha als weiteres Gewerbegebiet ökonomisch nicht erforderlich und ökologisch nicht verantwortbar und schädlich ist.

Die GLB verweist darauf, dass in den noch vorhandenen vier Gewerbegebieten ca. 34 ha an unbebauten Gewerbeflächen vorhanden sind. In den letzten 12 Jahren hatten wir einen Nettozuwachs an Gewebegebieten von 1 ha pro Jahr. Das heißt: wir halten ein Mehrfaches des für die nächsten Jahre zu erwartenden Bedarfs vor. Rein statistisch würde es noch für 34 Jahre reichen! Der Regionalplan ist aber nur für einen Zeitraum von 10 Jahren angelegt.

Nun wird in der gestern zugestellten Gewerbeflächenbewertung ausgeführt, die vorhandenen Flächen seien wegen Größe, Standortbedingungen und Eigentumsverhältnissen zwar unterschiedlich zu bewerten, aber überwiegend schlecht zu verkaufen. Bei den privaten Besitzern bestünde ein geringer Vermarktungsdruck und zu hohe Preisvorstellungen, so dass ein drittel der Flächen für den kurzfristigen Markt kaum zur Verfügung stände. An attraktiven Gewerbeflächen mit geringer Vermarktungsdauer unter städtischem Einfluss (städtische Grundstücke und MEGB) stünden lediglich ca. 10 ha zur Verfügung. Renaturieren ließen sich die Flächen allerdings auch nicht. Wir meinen, die möglichst schnelle Vermarktung, der alle diese Überlegungen gelten, kann nicht Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklungsplanung sein! Einer umsichtigen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Verkaufsstrategie müsste nach und nach, und darum geht es, die Vermarktung gelingen. Stichwort: allmähliche Entwicklung.

Weiter wird argumentiert: Um das gute Infrastrukturangebot der Stadt im sozialen und kulturellen Bereich aufrecht erhalten zu können, sei die Einnahmequelle Gewerbesteuer durch die Option auf ein neues zusätzliches Gewerbegebiet notwendig zu verbessern.

Es ist richtig, die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen. Genau das ist aber auch das Problem! Gerade deshalb ist auch die Begehrlichkeit und die Kirchturmspolitik der Kommunen hier besonders groß. Fast jede Kommune versucht, immer neue und größere Gewerbegebiete auszuweisen, um ihre Haushalte zu verbessern! Finanzpolitische Reformen sind dringend nötig, damit der Landschaftsverbrauch hier an den Wurzeln angegangen wird und eine regionale und überregionale Planung überhaupt ernsthaft betrieben werden kann, eine zukunftsweisende Planung, die Ressourcen schont und den unabsehbaren Flächenverbrauch eindämmt.

Ein anderer Aspekt: Mit z. Z. noch wachsender Einwohnerzahl hat Bensheim aber auch wachsende Einkommenssteuerabgaben, die einen Ausgleich schaffen und ihrerseits die gute Infrastruktur sozialer und kultureller Art erhalten helfen. Z.B.:

2006 betrug die Gewerbesteuer netto 16,6 Mio Euro, die Einkommenssteuer 16 Mio.

2005 Gewerbesteuer 12,5 Mio und Einkommenssteuer13,7 Mio

Ausnahmejahr 2007 wegen Nachzahlung und Vorauszahlung und guter Gewinne der Firmen: Gewerbesteuer 28,9 Mio und Einkommenssteuer 17,6 Mio Euro.

Ziel von uns Grünen ist es, eine nachhaltige Stadtentwicklung zu gewährleisten und den ökologisch so schädlichen Flächenverbrauch einzuschränken.

Wir wollen einen kompakten Siedlungskörper für Bensheim ohne ausgefranste Ränder, eine Stadt der kurzen Wege mit niedrigen Infrastrukturkosten in Bezug auf Verkehrsflächen etc. Genau mit diesem Argument hat der Magistrat in seinem Schreiben an den RP auf Seite 5 der Begründung zum Gewerbegebiet Riedwiese um Zustimmung geworben:“ Der Siedlungsrand wird durch die Autobahn klar definiert, eine Zersiedelung durch ausfransende Siedlungsränder ist ausgeschlossen“. Leider ist der Magistrat bei Stubenwald 2 von dieser Ansicht abgewichen. Der Blick vom Kirchberghäuschen zeigt die Zersiedelung der Landschaft schon durch Stubenwald 1.

Die Flächeninanspruchnahme in Deutschland ist seit Jahren leider fast unvermindert hoch. Der Bodenzähler ( Stichwort fürs Internet ) weist den durchschnittlichen Flächenverbrauch von ca. 116 ha täglich für Siedlungs- und Verkehrszwecke aus. Der BUND Hessen führt auf, dass täglich 5-6 ha in Hessen versiegelt werden, im Jahr etwa 2000 ha, was 2850 Fußballfeldern entspreche.

Schon 2004 hat das Bundesumweltamt die Devise ausgegeben,“ langfristig sollte - im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung - die Netto-Neuinanspruchnahme von Flächen auf Null zurückgeführt werden, d.h. für jede neu besiedelte oder neu versiegelte Fläche sollte an anderer Stelle zurückgebaut und renaturiert werden.“

Diese Veränderung der Handlungsmuster zur Flächeninanspruchnahme wird heute von vielen geteilt und angemahnt. - Die Diskussion erinnert vertrackt an die zum Klimawandel. Jahrzehnte von Naturschützern, Grünen angemahnt; als Übertreibung, Unsinn, verlacht. Heute kann niemand mehr an den Erkenntnissen vorbei, theoretisch. Die Praxis bleibt leider weiter hinter den Erkenntnissen und Erfordernissen zurück. - Ähnlich hier: Sowohl das Deutsche Institut für Urbanistik, die Bauernverbänden wie auch die Naturschutzverbände fordern: Keine Versiegelung ohne Endsiegelung! Konsequent auf Innenbebauung setzen! Alle außerörtlichen Freiflächen gleich hoch bewerten, schützen und erhalten. Deshalb sind auch landwirtschaftliche Betriebsflächen im Interesse der Landwirte und der regionalen Nahrungsnahversorgung zu erhalten. Ökologischer Landbau sollte Leitbild sein, um die Qualität der Flächen zu erhalten und gesunde Nahrung zu produzieren.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik kommt folgerichtig zu der Fragestellung, „ ob die im System des kommunalen Finanzausgleichs vordergründig bestehenden Anreize zur Baulandausweisung nicht eliminiert und statt dessen Anreize zum Erhalt von Freiflächen geschaffen werden sollen“, eine Frage die in verschiedenen Beiträgen auftaucht und einer Lösung zugeführt werden müsste.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist der Bevölkerungsrückgang, der uns auch in Südhessen mittelfristig erreichen wird, so die demographische Prognose, und der bei der Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten zu beachten ist. Wenn unsere Gesellschaft überaltert und der Anteil der beschäftigten Bevölkerung sinkt, wer garantiert uns, dass der Stubenwald nicht die Gewerbebrache von morgen wird.

Die Bewahrung des Rieds als Landschafts-, Natur- und Erholungsraum und seine ökologische Aufwertung durch Biotopvernetzung ist schon immer Anliegen der GLB. Deshalb setzen wir uns auch schon seit Jahren für den Erhalt der Erholungslandschaft zwischen Bensheim und Fehlheim ein und gegen weitere Straßenbauprojekte in diesem Gebiet. (Die Westtangente war der Koalitionskompromiss schon in der letzten Legislaturperiode, um andere Planungen zu verhindern.)

Das von Stadtrat Sachwitz vorgestellte Landschaftsentwicklungskonzept mit der planerischen Entwicklung eines Grüngürtels begrüßen wir sehr, haben wir doch selbst daran mitgearbeitet. Zielgerichtete Aufwertung der Natur- und Erholungsräume im Ried, Biotopvernetzung, Renaturierung von Gewässern, Grünbrücken, an der Umsetzung wollen wir gerne mitarbeiten. Allerdings sollten die Pläne nach unserer Auffassung unabhängig von einem weiteren Gewerbegebiet aus den zur Verfügung stehenden Geldern aus dem Kiesabbau der Erlache realisiert werden. Die interkommunale Zusammenarbeit mit Lorsch und Einhausen für die Naturbelange ist wichtig und Garant für eine gute Umsetzung.

Die ökologischen Aspekte im Antrag der FWG rechtfertigen die Ausweisung dieses großen, zusätzlichen Gewerbegebiets nicht. Wir werden ihren Antrag ablehnen.

Weiteren Informationen stehen wir nicht im Wege. Wer Infos will, soll sie bekommen. Wie diese dann zu bewerten sind, ist eine andere Sache. Den ersten 3 Punkten des FDP-Antrags stimmen wir zu, auch wenn der Antrag vielleicht der FDP nur dazu dienen soll, sich von ihrer klaren Stellungnahme gegen Stubenwald 2 allmählich zu lösen und umzuschwenken. Punkt 4 lehnen wir ab. Wir bitten um getrennte Abstimmung.

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