Früh fördern, gemeinsam fördern, alle fördern - Bensheimer Erklärung der
GLB
Nicht erst die in letzter Zeit veröffentlichten Schulleistungsuntersuchungen
wie IGLU, PISA, PISA usw. zeigen übereinstimmend einen zentralen Punkt auf:
Die in den ersten Lebensjahren ausgebildete Sprachkompetenz der Kinder ist die
entscheidende Basis für die spätere Schul- und Berufslaufbahn. Defizite in dieser
frühen Entwicklungsphase können offenkundig nur schwerlich später aufgeholt
werden. Andererseits sind die Chancen einer Sprachförderung in dieser frühen
Lebensphase am besten. Das wissen die Industrienationen um uns herum schon lange
und handeln danach. Sie haben den Beginn gezielter pädagogischer Förderung vor
den Beginn der eigentlichen Schulzeit gelegt. Viele Untersuchungen zeigen, dass
der Förderbedarf keineswegs ausschließlich bei Kindern aus Migrantenfamilien
gegeben ist.
Deshalb fordert die kommunalpolitisch engagierte Grüne Liste Bensheim (GLB)
eine energische, organisatorische und inhaltliche Verbesserung der Lernphase
im frühen Lebensalter. Dies ist auch auf kommunaler Ebene bei einer entsprechenden
Kooperation der Stadt mit den anderen Trägern (z.B. Kirchen) aller Kinderbetreuungseinrichtungen
und aller damit beteiligten Institutionen erreichbar. Freilich richten sich
weitergehende Forderungen in erster Linie an die Landespolitik und den Gesetzgeber.
Die Grüne Liste Bensheim (GLB) fordert:
- Bildungsangebote müssen ab dem dritten Lebensjahr kostenfrei und auf freiwilliger
Basis für alle, die dies wollen, erreichbar sein (Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention
vom 20. November 1989).
- Es muss eine Bildungspflicht für die Fünfjährigen im Jahr vor der Einschulung
geschaffen werden, kostenfrei für die Familien. Damit kann nachhaltig die
bestehende Ungleichheit der Chancen zum Schulbeginn entschärft werden.
- Wir fordern: Alle schulpflichtigen Kinder werden in die Schule aufgenommen,
keine selektierende Feststellung der so genannten Schulfähigkeit. Die Schule
muss sich auf die individuellen Lernausgangslagen der Kinder einstellen. Dazu
gehört eine sorgfältige Lernprozessdiagnostik. Ziffernzensuren sind in den
ersten Schuljahren verzichtbar.
- Es muss eine neue Schuleingangsstufe entwickelt werden, die die beiden
ersten Schuljahre umfasst. Die Schuleingangsstufe ist inhaltlich mit dem Jahr
vor der Einschulung zu verknüpfen. Dabei kann an die Erfahrungen mit der ab
1968 entwickelten Eingangstufe angeknüpft werden.
- Um Kindern mit Entwicklungsrückständen gerecht zu werden, muss sozialpädagogische
und sonderpädagogische Kompetenz in dieser Schuleingangsstufe als integrierte
Komponenten wirksam werden. Alle Kinder ohne Ausnahme müssen Gelegenheit haben,
diese Einrichtung zu besuchen.
- Die Schuleingangsstufe ist jahrgangsübergreifend. Vom Entwicklungsstand
der Kinder wird abhängig gemacht, ob sie zwei oder drei Jahre bis zur Versetzung
in die 3. Klasse benötigen. Dieses Verweilen bei Bedarf bietet eine konstruktive
Chance der individuellen Förderung. Die zwei oder drei Jahre für die ersten
beiden Klassen müssen in direkter Verbindung mit dem letzten Kindergartenjahr
gestaltet werden. Es müssen für die Kindergärten/Kindertageseinrichtungen
- anerkannt als Bildungseinrichtungen - und die Grundschulen gemeinsame, verbindliche
Bildungspläne entwickelt werden, also für das Alter von 0 bis 10 Jahren.
- Mittelfristig muss es das Ziel sein, die ErzieherInnen auf akademischem
Niveau auszubilden. Wie in den PISA-Siegerländern wird eine gemeinsame Ausbildung
der Fachkräfte des Elementar- und Primarbereichs gefordert.
- Als Übergangsstufe wird - wie zum Beispiel jetzt in Bayern - angestrebt,
für die Schlüsselpositionen von LeiterInnen der Kindertageseinrichtungen verbesserte
Fort- und Weiterbildungsangebote einzurichten. Zudem sind gerade für den Elementarbereich
(aber selbstverständlich auch für den Primarbereich) flächendeckende Fortbildungsprogramme
erforderlich.
- Die Schwerpunkte der Lehrerbildung sind von den Fachwissenschaften und
Fachdidaktiken stärker auf diagnostische Fähigkeiten, auf Modelle der individuellen
Förderung und auf die Aufgaben der Sprachförderung zu verlagern.
Bensheim, September 2003
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